Das funktioniert schon. Nur anders als wir denken. Mit der Konsequenz, dass wir anders denken müssen.

Wenn die Amerikaner, dank Fracking, puncto Ölproduktion mit Saudi-Arabien gleichziehen können, versauen sie damit ihr Grund- und Trinkwasser, die Landschaft sowieso, und dennoch steigt ihr Bruttoinlandprodukt. Wird in Borneo der Regenwald abgeholzt, in Brasilien ebensolcher brandgerodet, die Weltmeere überfischt und vor unserer Haustüre jedes Fitzelchen Erde zubetoniert, steigt in diesen Regionen der materielle Wohlstand ebenfalls. Da die Verarbeitung und der Verkauf von Tropenholz, die Nutzung neuer Weideflächen, der Handel mit Fisch und eine florierende Baubranche das Wirtschaftswachstum positiv beeinflussen. Soviel zur Ausgangslage.

Jetzt zum Problem, das, so meine ich zu wissen, in der Ausgangslage seinen Ursprung hat. Genauer gesagt in der Auffassung, stetes Wirtschaftswachstum sei für den Wohlstand einer Gesellschaft unerlässlich. Was, unter uns gesagt, nur totaler Bockmist sein kann. Weil derlei auf einem Planeten in einer endlichen Grösse, folglich mit beschränkten Ressourcen, so realistisch rüberkommt wie die Schauspielerin, die nach einer durchzechten Nacht mit geföhnten Haaren aufwacht.

So, wie die Dinge liegen – und die liegen eine geraume Zeit schon ziemlich deutlich auf der Hand –, tun wir gut daran, uns neu zu orientieren. Namentlich an einem aktualisierten Wertekatalog. Man muss nicht die hellste Kerze auf der Torte sein, um zu begreifen, dass das jetzige Wirtschaftssystem am Rande des Zusammenbruchs steht. Es quasi auf der Intensivstation liegt und nur künstlich am Leben erhalten wird. Mit allerhand fiskalpolitischer Patentmedizin. Was das Siechtum hingegen auch nicht stoppt und das Hinscheiden nur in die Zukunft verschiebt.

Nein, ich bin nicht per se gegen den Kapitalismus. Es geht lediglich darum, diesen neu zu definieren und mit Werten aufzuladen, die auf der Höhe der Zeit sind. Vorzugsweise mit ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen gleichermassen. Woraus quasi eine ökosoziale Marktwirtschaft entstehen würde. Was nach einem linksgefädelten Begriff klingen mag, ist unterm Strich ein ziemlich praktikabler Ansatz. Der in wenigen Sätzen so geht: Reiche Leute sind okay. Superreiche braucht es nicht, dafür überall auf der Welt bessere Bildung. US-Amerikanisches bigger, better, faster and stronger ist out. In ist, wer weniger hat, dafür das Wesentliche. Jene, die ein Bewusstsein für diese Dinge entwickeln und sie obendrein auch wertschätzen, sowieso.

Schon klar, ohne Moos ist nichts los und eine Welt ohne Geld wäre vermutlich auch nicht besser, sondern nur komplizierter. Da der Austausch von Waren und Diensten mit einem kolossalen Aufwand verbunden wäre. Und ja, das gute Gefühl, Geld zu haben, ist nie so intensiv wie das Scheissgefühl, kein Geld zu haben. Aber darüber mag ich hier nicht sprechen. Ich spreche davon, den Vorteilen des «Weniger ist mehr» auf die Schliche zu kommen. Festzustellen, dass dadurch Freiraum entsteht. Herauszufinden, dass durch das Reduzieren, Loslassen und Entrümpeln nur Ordnung geschaffen wird und Vereinfachung insgesamt nichts mit Verzicht zu tun hat. Mit Erleichterung aber schon.

Wer weniger braucht, muss weniger arbeiten, um bezahlen zu können, was er in Tat und Wahrheit gar nicht braucht. Wer weniger arbeiteten muss, hat mehr Freizeit und wer mehr Zeit hat, hat mehr vom Leben. Und weniger Stress. Weil er sich nicht dauernd Gedanken machen muss, wie er seinen Besitz vor Verlust schützen soll. Die Politik wird uns das nie und nimmer vormachen. Ökonomen ebenfalls nicht. Das müssen wir selber in die Hand nehmen. In voller Absicht. Dabei geht es nicht darum, perfekt zu sein. Es geht darum, Ideale zu haben. Diesen Idealen zu folgen und dabei auch gegen sich selber anzutreten. Frei nach dem Grundsatz «Lebe unter Deinen Verhältnissen, innerhalb Deiner Möglichkeiten und für Deine Träume». Der Umwelt zuliebe, sich selbst sowieso.

 

19. Januar 2021